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15 Jahre Landeszentrum

15 Jahre Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter!

Einrichtungsleiter Herr Steinke am Rednerpult

Einrichtungsleiter Herr Steinke
(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Am 3.Juni 2010 feierte das Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter sein 15jähriges Bestehen. Mit uns feierten Wegbegleiter aus den letzten 15 Jahren.
Zu Beginn begrüßte uns die Trommelgruppe aus der Anne-Frank-Förderschule Radebeul mit einem virtuosen Trommelstück. Die Begeisterung und Freude, mit der die Schüler ihrer Trommeln »bedienten« zeigt, dass Rhythmus und Energie mitreißende Elemente der Musik sind.

»Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.«

Geburt
Für die Mutter ist eine Geburt mit großer körperlicher Anstrengung und Schmerzen verbunden; und nicht selten stellen Befürchtungen um ihren Ablauf und mögliche Komplikationen eine starke Belastung dar. Dies war bei der Gründung des Förderzentrums vor genau 15 Jahren nicht viel anders. Es gab verschiedene versprengte Einrichtungen auf dem Gelände wie Frühförder- und Frühberatungsstelle; Kinderkrippe für Blinde; Kindergarten für Blinde; Internat der Sächsischen Blindenschule. Alle hatten ihre eigene Leitung und eine unterschiedliche Sichtweisen auf die Problematik der Trägerschaft wie Stadt Chemnitz; Freier Träger wie Internationaler Bund oder Landesträgerschaft.
1995: das Kind, das heutige Landeszentrum, hatte keine Chance zu fragen oder mitzureden ob es geboren werden wollte … also Stress pur. Das damalige Oberschulamt Chemnitz legte die Zusammenlegung aller außerschulischer Bereich fest und gründete eine Einrichtung in Abstimmung mit dem Sozialministerium die alle betreuten Begriffe beinhalten sollte.So entstand der Einrichtungsverbund zur Betreuung blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher (übrigens ein Vorschlag von Dr. Trogisch; dem damaligen Referenten für Behindertenarbeit im Sozialministerium.

Säuglingsalter
Bei Säuglingen, die ca. sechs bis acht Monate alt und sicher in der Lage sind, bekannte und unbekannte Gesichter (und damit Personen) zu unterscheiden, kann man, wenn sie das Gesicht einer unbekannten Person erblicken, charakteristische Reaktionen beobachten: sie fixieren das Gesicht einige Sekunden lang, ihre Gesichtsmuskulatur spannt sich an, sie wenden ihr Gesicht und den Körper ab und fangen heftig an zu weinen. Diese ersten Furchtreaktionen treten plötzlich und auch für die Eltern überraschend so regelmäßig mit einem Höhepunkt im Alter von acht Monaten auf, daß sich dafür nach Spitz (1950) der Begriff der »Acht-Monats-Angst«  sogar in der Umgangssprache eingebürgert hat. Diese Furchtreaktion nimmt einige Monate lang zu und danach langsam wieder ab, allerdings gibt es – wie eigentlich überall – große individuelle und kulturelle Unterschiede.
So auch bei uns: Plötzlich gab es hektische Betriebsamkeit Konzepte zu erstellen, diese in Ministerien in Dresden zu verteidigen und die Gesichtsmuskulatur zu entspannen wenn ganz wichtige hohe Leute mit uns redeten. Das Geld war ein Thema wie nie zuvor ... Kostenberechnungen ließen uns erschauern was alles so zusammenkam um die verschiedenen Einrichtungen zu finanzieren. Finanzierung hieß auch, dass jede Einrichtung sich in ein gemeinsames Grundprinzip eingliederte um in angemessener Weise zu arbeiten und mit Artikeln des täglichen Bedarf umgehen zu können.
Verschieden Kulturen existierten immer noch, so das Vorschule und Internatsbereiche keine Gemeinsamkeiten aufwiesen.Viele Fremde wurden durch die Einrichtung geführt und ließen sich zu den unterschiedlichsten Reaktionen hinreißen: Entsetzen was es alles gibt, Erstaunen was alles trotzdem geht, Erstaunen wie viel an Arbeit noch getan werden musste.
Im Lauf der Erkundung der Umwelt stoßen Kinder immer wieder an Barrieren und Grenzen. Einige Eltern versuchen nun, auch für eine normale Interaktion und den sozialen Umgang notwendige Grenzen weit hinauszuschieben. Ob dieses erzieherische Vorgehen vorteilhaft ist, bedarf weiterer Forschung. Einerseits sollten vermeidbare Verhaltenseinschränkungen von Kinder sicherlich weitgehend ferngehalten werden, andererseits bedeutet eine erfolgreiche Überwindung von Grenzen und Barrieren auch eine große subjektive Befriedigung – wie man auch als Erwachsener nachvollziehen kann, wenn man zum ersten Mal allein mit dem ersten Auto gefahren ist oder in einer Prüfung Erfolg gehabt hat, die man für besonders schwierig gehalten hatte.
Neue Ideen, neue Konzepte mit Barrieren und Grenzen hießen für uns das vorhanden genau zu analysieren und vorsichtig mit unbekanntem zu beginnen. Da wir die Möglichkeiten der Reisefreiheit genutzt hatten, wussten wir vor allem was wir nicht wollten: Eine sächsische Variante der Gruppenbetreuung mit so viel Autonomie und Integration wie möglich entstand. Geschlechtergemischte Gruppen entstanden, aus dem Erzieher als Einzelkämpfer wurde ein Teammitglied, Kinder schliefen nicht mehr in Schlafsälen zu 11t sondern in kleineren abgeschlossenen fast privaten Gruppenbereichen, Fachdienste wie LPF und Mobilitätserziehung wurden gegründet, erste Übungen zum Low-Vision Training kamen auf, Einzelförderung hielt Einzug im Sinne von Hausbesuchen dies ist heute die Mobile Frühförder- und Beratungsstelle für Blinde und sehbehinderte Kinder.
Offensichtlich können Kinder schon sehr früh zwischen der spielerischen Realität und ihren Möglichkeiten sowie der »wirklichen« Realität und ihren Grenzen unterscheiden, und auch ein abrupter Wechsel ist möglich: der Raumschiffkapitän unterbricht seine Mission, um sich seinen Gummibären-Nachschub zu sichern, und Prinzessin Isabell flucht ganz unhöfisch, wenn ihr die Pappkrone vom Kopf fällt. Ob Kinder Verhaltensmöglichkeiten aus der Spielrealität quasi mechanisch auf ihre Lebensrealität übertragen, scheint nicht hinreichend nachgewiesen.
Vielleicht kann diese Erkenntnis ja auch dazu beitragen, dass besorgte Eltern etwas gelassener auf Entwicklungsirrwege ihrer Kinder reagieren. oder »Nur wer etwas tut macht Fehler und kann daraus lernen.« Dazu gibt es genügend Möglichkeiten in dieser Einrichtung – Sehschule – Kreativwerkstatt – Wahrnehmungsangebote – Snoezelen – Sport und Spiel – LPF – Musik und Rhythmik.
Aber auch ganz »normale Dinge« wie Schwimmen im Schwimmclub Chemnitz mit Chance auf Leistungsorientierung und Teilnahme an internationalen Wettkämpfen wie Paralympics, Besuche auf Bauernhöfen und Kennen lernen von unterschiedlichen Tieren, Jugendherbergsfahrten, Besuch bei Mc Donalds, Teilnahme an Angeboten der offenen Jugendarbeit in Jugendclubs der Stadt Chemnitz, Tanzfreizeiten, Singegruppe, Vorlesegruppe, Klettergruppe.Vieles Andere bietet die Möglichkeit sich auszuprobieren, nachzudenken und Gemeinsamkeiten zu erleben …
Denkentwicklung ist nach Piaget in großen Teilen eine Lösung aus der eigenen, beschränkten Perspektive hin zur Fähigkeit, Perspektiven anderer Menschen wahrzunehmen. Dazu gehört auch, daß man akzeptiert, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die dem eigenen Einfluß entzogen sind. Den allmählichen Prozeß, den eigenen Standpunkt, eigene Wahrnehmungen, das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten nicht mehr als Nabel der Welt, als ausschließlichen Ausgangspunkt für eigene Überlegungen und Handlungen zu machen, nennt Piaget Dezentrierung.
Es ist ein weiter Weg dahin, mit vielen Dornen. Am Einrichtungsverbund ist der Übergang von starkt betreuten Wohngruppen bis zu Training von Selbstständigkeit mit WG Charakter ohne direkte Mitarbeiterbetreuung, die Bestätigung von Vertrauen, Selbständigkeit, Verantwortungsgefühl und hoher sozialer Kompetenz.

Jüngeres Schulalter bis zur Vorpubertät
Nun sind wir schon lang nicht mehr im nur gegenständlichen Lernen. Mit 10 Jahren ist man in der Lage seine individuellen Bedürfnisse zu benennen und zu erläutern. Im Leben eines Menschen ist das 10te Lebensjahr noch lange nicht die Zeit des Erwachsenenseins. Man möchte nicht mehr in der Öffentlichkeit von den Eltern gedrückt und gebusselt werden. Trotzdem machen Handarbeiten für die eigene Puppe oder den eigenen Teddy noch Spaß. Das andere Geschlecht ist unmöglich. Und endlich sieht man die ersten Muskeln auf dem Arm, steht heimlich vor dem Spiegel, Sport macht Spaß und der Trainer aus der Sportgruppe ist der beste Kumpel. Gemeinschaft mit Kumpels ja, Kooperation ist eher schwierig.
Vielleicht sind ja auch die kulturellen Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft (bzw. den westlichen Kulturen) der Entwicklung von Kooperation nicht sehr förderlich. Zwar wird überall betont, wie wichtig Zusammenarbeit wäre, aber Belohnungen in Form von Zensuren oder später Gehaltserhöhungen bzw. Beförderungen werden meist individuell vergeben. Altruistisches, uneigennütziges Verhalten zahlt sich in unserer Gesellschaft eigentlich scheinbar nicht aus und wird schon in der Schule ausgenutzt: wer regelmäßig seine Hausaufgaben zum Abschreiben zur Verfügung stellt, wird allenfalls als Streber eingeordnet, aber wohl kaum ernstgenommen.
Also: – Raus aus der Helferfalle und rein in die Differenzierungsphase zur Erweiterung der fachlichen Kompetenz. – Das Landeszentrum verfügt heute über ein Hochspezialisiertes System an Diagnostik und ein Netzwerk zur fachlichen Hilfestellung für Kinder und deren Familien. – Genannt sei hier als Beispiel die Diagnostik auf dem Orthoptischen Gebiet, die Sozial-anamnese und heilpädagogische Förderkompetenz. - Genannt sei hier die flexible Betreuungsform im Sinne von Mobiler Frühförderung bis zum Ganzjahreswohnheim. – Genannt sei hier das Prinzip des »Forderns weil ich dich achte«. Jedes Kind erhält die höchstmögliche Wohnform und Entscheidungskompetenz zur Entwicklung sozialer Beziehungen. – Genannt sei hier das interne Netzwerk an heilpädagogischen Mitarbeitern, Fachdiensten, Ärzten, Therapeuten, für jede Form von Handicaps. – Genannt sei das Netzwerk aus Sozialpädiatrischen Zentren in Sachsen; mit der Sächsischen Blindenschule; allgemeinen Frühförderstellen, Augen- und Kinderkliniken. – Genannt seien hier insbesondere die Partner in der Bildungsagentur Chemnitz, dem SIB als Bau- und Immobilienmanager. – Das Kultusministerium mit seinen Abteilungen zu Entscheidungen und Antragstellungen über das Wohl und Wehe der Einrichtung. – Das Sozialministerium als fachlicher Begleiter und Mitstreiter bei der Entstehung von Konzepten und Arbeitsweisen. – Das Finanzministerium des Freistaates, welches Millionen in das Landeszentrum und die Sächsische Blindenschule investiert hat.

Jugendalter
Mit 15 Jahren stehen insbesondere bedeutsame körperliche und psychische Veränderungen im Leben eines Menschen an. Diese führen auch in dieser Phase der Entwicklung zur Gefühlskarusselfahrten und Unsicherheiten auf dem Weg vom Jugendlichen zum Erwachsen. Dazu gehören: Ängstlichkeiten wie schwankende Gemütslage (wie geht es weiter nach dem erfolgreichen Aufbau einer Einrichtung für 220 Kinder und deren Eltern). Reizbarkeit (auch in unserer Einrichtung gab es schwere Zeiten als festgestellt wurde, dass in der Kindertagesstätte private Interessen des Personals über den Interessen und verständlichen Ansprüchen der Kinder und Eltern auf angemessene kompetente Betreuung standen).
Erregbarkeit (als Einrichtung des Freistaates Sachsen, worauf wir ganz besonders stolz sind, haben wir die große Chance uns rein fachlich zu orientieren und in einem gesunden Mix aus Wissenschaftlichkeit und praktischer Erfahrung für Kinder und deren Eltern in Form von Beratung und Begleitung zur Verfügung zu stehen).
Ablösungstendenzen (es ist eine deutliche fachliche Profilierung in den letzten 2 Jahren mit klassischen Instrumenten wie Casemanagement in Form von Annalysen und Förderplanung sowie Auswertungen mit dem eigentlichen Auftraggeber den Sozialämtern in Sachsen unter Nutzung wissenschaftlicher Kompetenzen von Prof. Brambring, Lilly Nielsen, Frau Neef Landoldt oder Frau Hyveränen zu spüren) Dies lässt uns hoffen und erleben, dass die Arbeit an behinderten Menschen ein deutlicheres Interesse von Seiten der »Auftraggeber« wie Eltern und Behörden besitzt.
Die Angebote des Landeszentrums als ineinandergreifendes Pinzip mit: Mobiler Frühförderstelle, Heilpädagogischer Kindertagesstätte, Heim für schwerstmehrfachbehinderte Vorschulkinder, Ganztagesbetreuung, Heim der Sächsischen Blindenschule, Heim für schwerstmehrfachbehinderte Schüler bieten ein hohes Maß an Durchgängigkeit und Begleitung verschiedenster Lebensentwürfe für blinde, sehbehinderte und merfachbehinderte Kinder und Jugendliche.

Wir hoffen den neuen Herausforderungen mit Optimismus und Fleiß gewachsen zu sein und danken allen Partnern die uns bis zum heutigen Zeitpunkt in unserer Entwicklung begleitet haben.

Dr. Trogisch am Rednerpult

Dr. Trogisch
(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Dr. Buche am Rednerpult

Dr. Buche
(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Publikum in der Festhalle

(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Kinder musizieren auf der Bühne

(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Trommelgruppe auf der Bühne

(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Herr Bieger am Sprechpult

Herr Bieger
(© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter)

Marginalspalte

© Landeszentrum zur Betreuung Blinder und Sehbehinderter